Die grüne Tara räumt auf mit dem Menstruationstabu

 

Gemälde von Dh Bodhimitra

Die grüne Tara ist im tibetischen Buddhismus eine beliebte Bodhisattva, ein Wesen, das nach tiefster Weisheit strebt. Ihr Name kann als „die grüne Befreierin” verstanden werden. Sie hat der Legende nach in einem früheren Leben geschworen, dass sie die Buddhaschaft in einem weiblichen Körper erlangen wird. Was für eine passende Leitfigur für diese Mission!

Unsere erste Vorsitzende, Susanne Traud-Dubois, war Anfang Oktober in Nepal und hat dort zusammen mit unserem Projektpartner Green Tara Nepal unser Projekt „Würde für Frauen in Nepal” besucht und die externe Gutachterin bei der Evaluierung begleitet. Trotz heftiger Regengüsse und vielen Erdrutschen hat sie sich mit dem Team auf gefährlichen Straßen... eher Pisten an steilen Abhängen per Jeep und Miniflieger bis ins entlegene und schwer zugängliche West-Nepal durchgeschlagen. Zum Glück ist sie sehr robust, während andere Teammitglieder reisekrank gelitten haben 😖, hat sie die Landschaft genossen 😊.  Schau Dir dazu hier die tollen Fotos an!

Unser erstes, derzeitiges Projekt endet zum 30. April 2025. Wir sind dabei, einen neuen Projektantrag beim BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu stellen. Das neue Projekt soll im Mai 2025 beginnen und über vier Jahre laufen.

Das laufende Projekt fand in zwei Distrikten statt: Bajhang und Bajura.

In Bajhang hat die Gemeinschaft einen sehr umwälzenden Wandel vollzogen und kann als sehr erfolgreich bewertet werden. Davon zeugt die Geschichte von Bimal Chauhan.

 

Bimal Chauhan ist ein traditioneller Heiler, ein Dhami

Bimal Chauhan

Er ist 66 Jahre alt, lebt in Bajhang und erzählt uns: „Das Dignity Project hat eine bemerkenswerte Rolle dabei gespielt, unsere Sichtweise auf die Menstruation zu verändern. 

Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, menstruierende Frauen im Haus zu behalten, um ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu gewährleisten. Es ist in dieser Zeit sehr wichtig, ihnen nahrhafte Lebensmittel wie Joghurt und Milch anzubieten. Ich habe mir sehr zu Herzen genommen, was ich in den Projekt-Workshops lernen konnte und habe nun aufgehört, schädliche Bräuche zu praktizieren. So behandele ich Frauen nicht mehr als unberührbar. Bisher habe ich an drei Programmen teilgenommen. Durch die Schulungen habe ich erkannt, dass die Menstruation ein natürlicher Prozess ist und nicht stigmatisiert werden sollte. Und dass nicht die Frauen Schuld sind, wenn jemand krank wird. Obwohl ich ein Dhami bin, ein Anhänger des großen Gottes, verstehe ich das Leid, das Frauen in der Vergangenheit aufgrund dieser Praktiken ertragen haben." 

Im Distrik Bajura ist der Versuch, die Verhaltensweisen zu ändern, zäher vonstatten gegangen. Dort ist noch deutlich mehr Anhaftung an die alten Bräuche zu erleben, auch nach 3 Jahren des laufenden Projekts. Die Gründe dafür können vielfältig sein und werden vom Projektteam genauer untersucht.

Uns zeigt dieser Sachverhalt, wie wichtig die Bemühungen des Projekts sind! Es braucht einen langen Atem und Geschicklichkeit, um die Menschen nachhaltig zu überzeugen, dass diese gewünschten Veränderungen zum Wohle der ganzen Gemeinschaft beitragen werden.

Darum sind wir enthusiastisch, den Neuantrag für 2025 beim BMZ zu stellen, um noch mehr Frauen in Nepal nachhaltig stärken zu können!

 

Die Geschichte des Menstruationstabus

Foto: Pixabay

Wie ist es eigentlich zu diesem weltweiten Tabu gekommen?

Wie ist die Situation bei uns in Europa? Was hat Gleichstellung mit dem Menstruationstabu zu tun?

Was gibt es für Veränderungen? Infos zur Gendermedizin

Warum kommt es dadurch in armen Ländern zu besonders viel Leid bei den Frauen?

Welche Umweltauswirkungen entstehen auf unserem Planeten?

Diese Fragen beantworten wir Dir unten im Aufklappmenü genauer!

  • „Unsere Sicht auf Menstruation wie sie heute ist, ist ein Produkt der Wissensproduktion, also der Geschichtsschreibung über Menstruation“, erklärt die Autorin und Journalistin Franka Frei in einem Interview mit dem national Geographic mit Insa Germerott 03.03.2023.

    Das Tabu der Menstruation ist ein weltweites Phänomen, das eng mit einer patriarchalischen Gesellschaft zusammenhängt. Es hat eine lange Geschichte, so steht bereits in der Bibel (Altes Testament, Levitikus 15, Vers 19), dass die Frau als unrein zu gelten hat, wenn sie menstruiert. Wen oder was sie berührte, wurde verunreinigt, so war die Auffassung. Dieser Sachverhalt ermöglicht einer patriarchalischen Gesellschaft die Legitimation, Frauen auszugrenzen und zu unterdrücken, insbesondere während ihrer Periode. Der Einfluß der Männer dominierte die Vorstellungen über Menstruation über viele Jahrhunderte wenn nicht Jahrtausende der Menschheitsgeschichte. Aristoteles wähnte darin die weibliche Minderwertigkeit bewiesen: Frauen seien nicht wie Männer imstande, Blut in Sperma zu verwandeln und müssten es deshalb monatlich ausscheiden (TAZ 28.05.2012). Erst im Jahr 1827 wurde die weibliche Eizelle entdeckt und doch war zu dem Zeitpunkt stets unklar, was genau während des Menstruationszykluses passiert (Lotte Vera Bauer, Zwischen Normalität, Scham und Tabu, 2018).

    Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde dem Menstruationsblut nachgesagt, es sei giftig und könne Lebensmittel verderben oder zum schnelleren Verderb beitragen (Wikipedia).

  • Wir leben in einem Land, in dem Frauen seit vielen Dekaden um Gleichberechtigung und Emanzipation kämpfen. Wie weit wir damit gekommen sind, lässt sich durch den Gleichstellungsindex der EU ablesen. Deutschland ist auf Platz 11; kein Grund, stolz zu sein, wenn man sieht, welche Länder vor und hinter uns liegen 😐 … Dieser Index misst in sieben verschiedenen Bereichen, wie weit die EU und ihre Mitgliedsstaaten fortgeschritten sind bei der Verwirklichung einer geschlechtergerechten Gesellschaft. So ist dort zum Beispiel festgestellt worden, dass der Anteil der Frauen in den Vorständen der Unternehmen auf 33 Prozent gestiegen ist und damit dem Anteil der Frauen in den nationalen Parlamenten entspricht.

    Solange Männer weiterhin das gesellschaftliche Leben, die Wirtschaft, Wissenschaften und Politik dominieren, prägen sie weiterhin unsere Vorstellungen - auch die der Menstruation.

  • Die Gendermedizin ist ein relativ junges Teilgebiet der Humanmedizin, es ist Ende der 1980er Jahre entstanden und beschäftigt sich mit Erkrankungen im Hinblick auf ihre geschlechtsspezifischen Unterschiede. Der Körper von Männern und Frauen ist zweifellos sehr unterschiedlich und seit neuestem ist uns Menschen also aufgefallen, dass es deswegen Sinn macht, medizinische Behandlungen an die geschlechtsspezifische Unterschiedlichkeit anzupassen. Ein signifikanter Unterschied ist, dass Frauen einen Menstruationszyklus durchlaufen, der einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und mentale Prozesse hat.

    Ärzteblatt, 01. Juli 2024:„Die Wissenschaft scheut sich auch oft, den Zyklus mitzudenken, weil er den Ruf hat, kompliziert zu sein.“ Sicherlich sei der Zyklus komplex, doch brauche auch Deutschland ausreichend Daten dazu, um Forschung betreiben zu können, so Stadler. „Im Vergleich zu anderen Ländern liegen wir rund 30 Jahre zurück“, sagte sie. Frauen würden in der Forschung häufig nicht mitgedacht, die Auswirkungen von Krankheiten und Medika­menten auf ihre Körper seien oft nicht hinreichend geklärt. Zudem sei die Forschungsförderung bei Frauen­erkrankungen unterproportional, betonte Stadler.

  • Als Periodenarmut wird der Notstand von Frauen bezeichnet, die sich auf Grund ihrer sozialen und finanziellen Situation keine modernen Menstruationsprodukte wie Tampons, Binden oder Menstruationstassen leisten können. In vielen Ländern sind den von Armut betroffenen Frauen diese Art von Produkten gar nicht zugänglich. Außerdem fehlt es ihnen an Wasser und sanitären Einrichtungen. In Ländern, in denen die Mädchen mit dieser Situation konfrontiert sind, führt das Einsetzen der Periode häufig zum Schulabbruch der Mädchen. So ist das auch in Nepal. Die Unterstützung durch Schulutensilien, Nahrung und medizinische Versorgung ist seit langem gang und gäbe; dass Menstruations-Kits und Schulungen über den gesunden Umgang mit der Menstruation gegeben werden, ist auch in der Entwicklungshilfe noch ein verhältnismäßig junges Phänomen.

    Viele Erkrankungen von Frauen stehen in armen Ländern in Zusammenhang mit dem Mangel an Menstruationsprodukten. So erzählt uns Kayla-Leah Rich in einem TED Talk (19.06.2017), wie sie zu der Zeit, in der sie in Haiti in einer mobilen Klinik gearbeitet hat, erlebte, dass Frauen Teile alter Matratzen und sogar Steine benutzen. In den ersten vier Tagen hat sie bereits 320 Frauen behandelt, die daher schwerwiegende Infektionen davongetragen haben.

    2014 wurde zum ersten Mal von Frauenrechtsinitiativen der “Weltmenstruationstag” ins Leben gerufen. Die Hilfsorganisation Care warnte zu diesem Anlass 2021, dass die Zahl der aktuell etwa 500 Millionen Mädchen und Frauen, die während ihrer Menstruation ohne Hygieneprodukte auskommen müssen, weiter zu steigen droht (TAZ 28.05.2021).

  • Auch das Thema Umweltschutz im Zusammenhang mit der Menstruation ist durch das Wegschauen weltweit vernachlässigt worden. Das auf Menstruation spezialisierte, österreichische Social Business Erdbeerwoche informiert uns so darüber:Die meisten konventionellen Menstruationsprodukte bestehen aus einem Zellstoff-Plastikgemisch. In vielen Fällen sind das Kunststoffe wie Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE) – Stoffe, die auch für die Herstellung von Kaffeemaschinen oder Rohrleitungen verwendet werden. Laut des europäischen Faserverbandes EDANA bestehen Binden und Slipeinlagen zu mehr als 50% aus Kunststoffen und so genannten Superabsorbern. Das sind kleine Plastikkügelchen, die Flüssigkeit aufsaugen und z.B. in der Binde halten. Superabsorber sind nichts anderes, als Mikroplastik (=Plastikteilchen <5mm), welches ein erhebliches Umweltproblem darstellt. Tampons und Binden verschmutzen leider auch unsere Ozeane und gehören zu den häufigsten Abfällen an unseren Stränden. 45.000.000.000 Tampons oder Binden landen jährlich auf den Müllkippen unserer Erde, wo sie dann bis zu 500 Jahre brauchen, um zu verrotten” (erdbeerwoche.com).

    Leider sind solche Informationen auch hierzulande noch recht wenig verbreitet. Deswegen ist es erfreulich, dass durch das Brechen des Tabus und das Sprechen und Hinterfragen Umdenken geschehen kann und  immer mehr Unternehmen nun biologische Alternativen anbieten.


 
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